Wünsch Dir was

Kürzlich hat die Bundesregierung bzw. die EU ja der Industrie ein schönes Geschenk gemacht in Form des Glühlampenverbotes (ich hatte ja bereits mehrfach darüber geschrieben).

Nach so einer guten Tat für andere, war es an der Zeit, daß sich unsere Bundesregierung wieder einmal selbst belohnt: Durch Installation einer – von Personen wie Wolfgang Schäuble sicherlich schon lang gewünschten – Internetzensur in Deutschland. Freilich nennt die Regierung das Vorhaben nicht „Internetzensur“, so dumm bzw. unverfroren ist sie dann doch (noch) nicht. Statt dessen läßt sie Familienministerin Ursula von der Leyen der Angelegenheit notdürftig das Deckmäntelchen des Kampfes gegen Kinderpornografie überwerfen.

Um eventuelle Mißverständnisse gleich von Anfang an auszuräumen: Ich finde Kinderpornografie widerwärtig und unterstütze jederzeit, daß entsprechende Täter verfolgt, verurteilt und therapiert werden. Allein die Forderung nach einer sinnvollen Strafverfolgung und Prävention hätte ich.

Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Wie die Zeitschrift c’t inzwischen in mehreren Artikeln – online wie gedruckt – ausführlich belegt hat, ist die geplante Sperre von Kinderporno-Internetseiten an Hand von Umleitungen auf DNS-Ebene bestenfalls wirkungslos (und bessere Alternativen sind technisch kaum möglich):

  1. DNS-Umleitungen auf Basis der ISP-eigenen DNS-Server halten nur technisch sehr unbedarfte Personen ab, alle anderen können diese Sperre relativ leicht durch Nutzung ausländischer DNS-Server o.ä. umgehen.
  2. Wie in o.g. Artikel zu lesen ist, findet der Handel und Tausch von und mit Kinderpornografie aktuell ohnehin kaum über Webseiten statt, sondern vielmehr über E-Mail, Usenet und – man höre und staune – Post.
  3. Eine Stichprobe anhand versehentlich in Umlauf gekommener Sperrlisten aus Skandinavien ergab, daß ein Großteil der dort enthaltenen Server in Ländern wie Deutschland oder den USA stand, in denen die Server-Provider bereits auf Hinweise einer Kinderschutzorganisation binnen kürzester Zeit vom Netz nahmen. Mit anderen Worten: Die Seiten wurden nur oberflächlich und weitgehend wirkungslos gesperrt und nicht tatsächlich vom Netz genommen, obwohl dies mit minimalem Aufwand möglich gewesen wäre. Die zuständigen Behörden haben hier offensichtlich nach dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“ gehandelt.

Warum nun also sollte Frau von der Leyen an einem derart wirkungslosen aber dafür umso grundgesetz-inkonformen Vorgehen verbissen festhalten? Zwei Erklärungen fallen mir dazu ein:

  1. Frau von der Leyen ist tatsächlich schlicht vollkommen beratungs- und erkenntnisresistent.
  2. Das ganze dient einem höheren Zweck, stellt nämlich einen weiteren Schritt in den Überwachungsstaat dar.

Zur letzteren Erklärung würden einige Aspekte des Sperrvorhabens sehr gut passen: Bislang sind keinerlei Verfahren vorgesehen, an Hand derer der Betreiber einer zu Unrecht gesperrten Seite die Streichung von der Sperrliste erreichen könnte. Auch eine Prüfung der Sperrlisteneinträge durch Richter ist nicht vorgesehen. Darüber hinaus ist soll die Sperrliste als Geheimsache behandelt werden – eine höchst bedenkliches Konzept, denn staatliche Geheimnisse – insbesondere, wenn sie grundrechtsbedrohend sind – und Demokratie passen prinzipbedingt nicht zusammen.

Unter diesen Rahmenbedingungen ist es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis – „versehentlich“ natürlich – weitere Netzinhalte auf der Sperrliste landen. Die Musikindustrie scharrt bereits mit den Hufen und bis zur Sperrung unliebsamer z.B. politischer oder bürgerrechtlicher Inhalte ist es dann nur noch ein vergleichsweise kleiner Schritt. Wer sich das nicht vorstellen kann, mag einen Blick nach China werfen.

Dabei ist die Sache sozusagen aus pathologischer Sicht durchaus geschickt aufgezogen: Der bislang beliebte Universalsündenbock des 21. Jahrhunderts, der internationale Terrorismus taugt nicht recht zur Rechtfertigung von Internetsperren, also hat man flugs das unappetitliche Thema Kinderpornografie aus der Schublade geholt und damit geschickterweise gleich eine „Moral-Keule“ in der Hand: Wer sich kritisch zu den Sperren äußert kann sehr schnell in die Ecke gestellt werden, er (oder sie) sympathisiere mit Kinderschändern.

Toppen hätte sich dieses Vorgehen eigentlich nur noch durch einen kurz zuvor inszenierten, passenden aktuellen Skandal. Das hat die Bundesregierung in ihrer Tollpatschigkeit dann aber doch versäumt.

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