Gegen Kindesmißbrauch, gegen Zensur!

Leider bin ich in den letzten Tagen nicht zum Bloggen gekommen, weswegen dieser Eintrag wohl etwas ausführlicher ausfallen wird etwas ausführlicher ausfällt. Kommen wir zunächst einmal zu meinen Erfahrungen außerhalb der Blogosphäre:

Gegenthesen

Ich hatte vereinzelt versucht, bei Freunden und Bekannten das Thema „Internetzensur“ zu thematisieren und sie dafür zu sensibilisieren. Dabei schlug mir teilweise Stammtischpolemik der untersten Schublade entgegen, deren Wiedergabe ich mir hier im allseitigen Interesse erspare. Gleichzeitig wurde auch Kritik daran geäußert, daß „in den Foren“ nicht klar genug ‘rüberkäme, daß die Kritiker des geplanten Gesetzes durchaus gegen Kinderpornografie seien. Abgesehen von der Tatsache, daß bereits der Text der Online-Petition sich klar für die Bekämpfung dieser Kriminalität ausspricht, kann ich an dieser Stelle nur für mich selbst sprechen: Für mich ist die Ablehnung dieser Verbrechen und die Befürwortung der entsprechenden Strafverfolgung derart selbstverständlich, daß ich überhaupt keine Notwendigkeit darin sehe, das noch extra zu betonen. (Im Übrigen hatte ich das bereits in meinem ersten Beitrag zum Thema so artikuliert.)

Würde man mich nach Gegenvorschlägen zur geplanten Zensur fragen, so sähe meine Meinung wie folgt aus:

  • Unverzügliche Löschung kinderpornografischer Inhalte im Netz. Denn nur wenn die Inhalte gelöscht sind, sind sie wirklich nicht mehr zu erreichen. Dazu ist auch keinerlei Gesetzesänderung nötig: In Deutschland beispielsweise ist Kinderpornografie nach den §§ 182 und 184b StGB strafbar. Sollte derjenige, der für den Server, auf dem die Kinderpornos liegen, verantwortlich ist, diese nicht nach einem entsprechenden Hinweis sofort löschen, macht er sich selbst strafbar, dafür sorgt §7 TMG. Zur Ermittlung von Tätern hat die Staatsanwaltschaft meiner Ansicht nach mit der Strafprozeßordnung ein ausreichendes Werkzeug in der Hand, um die Identität von Tätern zu ermitteln, auch §111 TKG ist hier einen Blick wert.
    Steht der Server im Ausland, wird die Sache etwas komplizierter, jedoch ist dankeswerterweise auch in jedem anderen halbwegs zivilisierten Land dieser Erde Kinderpornografie ebenfalls strafbar, so daß die Serverbetreiber dort schon alleine ein gewisses Eigenintersse haben werden, den Schmutz loszuwerden. Die Initiative von CareChild hat das ja auch wunderbar gezeigt.
    Um es an dieser Stelle nochmals klar zu betonen: Der aktuelle Entwurf des neuen Zensurgesetzes, gegen das ich hier so vehement protestiere, sieht keinerlei Löschung vor, sondern eher eine halbherziges Art Sich-die-Augen-zuhalten; das heißt die Kinderpornos blieben nach wie vor im Netz und prinzipiell verfügbar. Nur weil möglicherweise Frau von der LaienLeyen an den geplanten Sperren scheitern würde, heißt das noch lange nicht, daß das auch für Kriminelle gilt.
  • Bestrafung der Täter. Werden Täter schnell und hart bestraft, kann das auch einen Abschreckungseffekt für andere Täter bedeuten. Gleichzeitig kann gegebenenfalls durch eine Sicherungsverwahrung sichergestellt werden, daß Täter nie wieder die Möglichkeit erhalten, weiteren Kindesmißbrauch zu begehen. Auch hierzu sehen die bestehenden Gesetze bereits Möglichkeiten vor, nämlich §66 StGB. Sofern eine wirksame Therapie der Täter möglich sein sollte, muß auch diese durchgeführt werden.
  • Verstärkung der Ermittler bei Polizei und Staatsanwaltschaft. Damit meine tatsächlich qualifiziertes Personal, das auch wirklich in der Lage ist, die technischen Zusammenhänge im Internet (und auf sichergestellten Rechnern) zu verstehen und damit umzugehen. Alibi-Mausschubser dagegen, die an die Grenzen Ihrer IT-Leistungsfähigkeit gelangen, wenn sie den Internet-Explorer öffnen sollen und die nur eingestellt werden, um von Politikern werbewirksam (zur Erinnerung: so langsam geht der Bundestagswahlkampf los!) vorgeführt werden zu können, sind hier definitiv fehl am Platz.
    Der Hallenser Oberstaatsanwalt Peter Vogt hat kürzlich der Süddeutschen zu Protokoll gegeben, daß alleine in Sachsen-Anhalt 41 Terabyte bzw. 364.000.000 Bilder kinderpornografisches Material auf die Auswertung warten würden. Unabhängig davon, daß ich die Aussage in dieser Form für eine Art Werbemaßnahme für das Zensurgesetz halte, frage ich mich an dieser Stelle, warum dieses Dateien auf ihre Auswertung warten und nicht tatsächlich ausgewertet werden, um die Täter schnellstmöglich vor Gericht stellen zu können.
  • Verbesserte Prävention. Wenn Kinderpornos erst aus dem Netz gefischt werden müssen, sind die Kinder zuvor schon mißbraucht worden und haben sehr wahrscheinlich Schäden davongetragen. Besser ist es wohl unbestritten, daß Mißbrauch gar nicht erst stattfindet. Initiativen wie „Kein Täter werden“ versuchen, potentiellen Tätern bereits im Vorfeld zu helfen, so daß sie gar nicht erst zu Tätern werden. Solche Initiativen sind es wert, unterstützt zu werden – auch durch Spenden von Bürgern und durch finanzielle Mittel des Staates!
    Zur Prävention gehört im Übrigen auch, sich Verdachtsfälle im persönlichen Umfeld genau anzusehen und eben nicht aus Bequemlichkeit wegzusehen.
  • Opfer-Fürsorge: ein Aspekt, der in der bisherigen Diskussion bislang vernachlässigt wurde. Ist ein Kind mißbraucht worden, ist das für das Opfer bereits schlimm genug. Daher muß alles getan werden, damit es seine psychischen (und ggf. physischen) Schäden überwinden kann. Dazu gehört auch, daß sich das Opfer nicht alleinegelassen fühlt, auch wenn es sich beispielsweise erst viele Jahre später traut, Anzeige zu erstatten. Eine Verlängerung der entsprechenden Verjährungsfristen wäre hier sinnvoll.

Cyberwar?

Doch auch im Netz hat sich in den letzten Tagen einiges getan: Beispielsweise wurde am Wochenende die Seite der Deutschen Kinderhilfe gehackt. Eine Aktion, die zurückhaltend formuliert, der Sache ganz und gar nicht dienlich war, da sich der Pro-Zensur-Propagandaverein nun seinerseits als Opfer gebärden darf und überdies denjenigen Munition liefert, die aus Unwissenheit „das Internet“ als irgendetwas diffus gefährliches ansehen – wie beispielsweise F!XMBR treffend analysiert. Ich werde mich an dieser Stelle nicht entblöden zu behaupten, daß dieser Hack von der Deutschen Kinderhilfe selbst zu Propagandazwecken inszeniert wurde – wundern würde ich mich aber auch nicht, wenn es so wäre.

Als weitere Neuigkeit gilt es zu vermelden, daß auch Gesellschaft für Informatik e.V. eine Presseerklärung herausgegeben hat, die sich gegen die geplante Internetzensur ausspricht. Auch die Anzahl der Petitionsunterzeichner wächst immer noch (wenn auch nicht mehr so schnell wie anfangs) und hat inzwischen die 87.000-Marke überschritten. Ich würde mich freuen, hier noch den 128.194ten Unterzeichner zu sehen.

Der F!XMBR-Blogeintrag bringt im übrigen die Sprache auch auf eine andere Sache, nämlich, daß sich die Deutsche Kinderhilfe mit Hilfe irreführender Fragen bei Infratest-dimap ein Umfrageerbegnis erkauft hat, das besagt, daß 92% der Deutschen die Internetsperren befürworten würden. MOGIS hat derweil eine „Gegenumfrage“ gestartet.

Philosophisches

Daß es kein Problem ist, die oben genannten 92% Zustimmung zur Internetzensur zu bekommen, wenn man Lieschen Müller auf der Straße nur eine passende Frage stellt, ist klar. Allerdings bestätigt mich das zusammen mit den eingangs erwähnten persönlichen Erfahrungen in einem sehr unschönen Gedanken, den ich schon früher in diesem Blog angesprochen habe: Ich fürchte nämlich, daß einem signifikanten Anteil der Bevölkerung essentielle Staats-Grundwerte wie die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder ein funktionierender Rechtsstaat ziemlich egal sind, solange sie nur irgendwie ihr persönliches, dumpfes (Un-)rechtsempfinden befriedigt sehen. Unabhängig davon, wie verschroben oder entfernt von tatsächlich existierenden Gesetzen es auch sein mag. Auch ein gewisses Mindestmaß an wirtschaftlicher und körperlicher Sicherheit scheint dazu zu gehören – im Prinzip ganz wie Juvenals „panem et circenses“. Von daher kann man eigentlich der Politik schon fast keinen Vorwurf mehr machen, wenn sie dies ausnutzt, um ihre ganz eigenen Ziele durchzusetzen.

Denkt man diesen Gedanken weiter, kommt man fast unweigerlich zu dem Punkt, an dem man sich fragt, ob es der Mehrheit denn nicht recht geschähe, wenn ein ausgeprägter Zensur-, Überwachungs- und Polizeistaat beispielsweise nach aktuellem chinesischem Vorbild um sie herum erricht würde, schließlich bekäme jedes Volk, die es verdiene. Zynikern mag dieser Gedanke genügen, jedoch schneidet man sich damit in eigene Fleisch, weil Auswandern für die wenigsten Zensurgegner eine realistische Lösung sein dürfte. Daher kann ich nur an alle, die lieber Freiheit statt Angst haben, appellieren, sich weiterhin gegen Zensur im speziellen und einen Überwachungsstaat im allgemeinen stark zu machen: Unterzeichnet die Petition! Geht auf Demos! Verbreitet die Nachrichten weiter und diskutiert (sachlich, bitte!) mit Freunden, Bekannten und Familie darüber! Auch, wenn wir damit die Freiheit von Leuten verteidigen, die es möglicherweise nicht verdienen.

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