Tesla-Testfahrt

Nachdem ich mir den schon länger andauernden Hype rund um den Tesla Model S – und damit meine ich jetzt nicht den tödlichen Unfall kürzlich in den USA – in Medien und Internetforen nun längere Zeit angesehen habe, hatte ich endlich beschlossen, mir dieses Auto mal in der Realität anzuschauen und habe kurzerhand eine Probefahrt in Frankfurt gebucht. Zwar bin ich bekennender „Petrol Head“, allerdings bin ich schon berufsbedingt Elektroantrieben nicht grundsätzlich abgeneigt. Aktuelles Rumoren in der politischen Landschaft wie z.B. die Überlegungen zur Einführung einer blauen Umweltplakette (auch wenn diese tagesaktuell erst mal wieder auf Eis gelegt wurden), taten ein Übriges, um mal über den Tellerrand hinaus schauen zu wollen. Hier nun meine Eindrücke in einer Art losen Gedankensammlung:

Antrieb

Als Exemplar für die Probefahrt stand in Form eines P90D das aktuelle Topmodell zur Verfügung. Um es gleich vorweg zu nehmen: Ja, die Beschleunigung im „ludicrous mode“ (3,0 s von 0 auf 100 km/h) ist beeindruckend. 😉 Die Geräuscharmut des Elektroantriebes war für allerdings nur in der Stadt wirklich wahrnehmbar, bei Landstraßen- oder gar Autobahntempo dominieren dann erwartungsgemäß die Rollgeräusche der Reifen und Windgeräusche. Dadurch ist der Tesla S dort effektiv nicht oder nur unwesentlich leiser ist als mein aktuelles Auto und auch in der Stadt ist der Unterschied nicht eklatant – spätestens ein laufendes Autoradio übertönt die Antriebe in jedem Fall und nivelliert die Fahrzeuge dadurch. Zugegeben, ich bin bei meinem aktuellen Auto durch einen Achtzylinder-Benziner ohne KrachSportauspuff dahingehend auch etwas verwöhnt. Vergleicht man den Tesla z. B. mit einem Vierzylinder-Diesel ist der Geräusch-Unterschied viel deutlicher. Das typische Pfeifen der Leistungselektronik war übrigens nur bei starker Beschleunigung schwach wahrnehmbar, ansonsten gar nicht.

Reichweitentechnisch gibt Tesla NEFZ-basiert 505 km für den P90D an – dass das wenig realitätsnah ist, dürfte klar sein. So war mein Testwagen zu Beginn der Probefahrt zu ca. 75 % geladen und die Bordelektronik berechnete daraus basierend auf dem vorherigen Fahrprofil eine Restreichweite von 192 km. Der Tesla-Verkäufer, der mich während der Probefahrt begleitete, sprach davon, dass man mit 200–250 km Reichweite bei der kleinsten Batterie (60 kWh) bis 300–400 km Reichweite bei der größten Batterie (90 kWh) jeweils für eine volle Akkuladung rechnen könne. Auch wenn man berücksichtigt, dass das zur oben genannten Berechnung herangezogene Fahrprofil bei einem Testwagen eher „engagiert“ ausgefallen sein dürfte, halte ich dennoch die unteren Grenzen der vorgenannten Werte für realistisch.

Stauraum

Auch hier hatte es der Tesla im direkten Vergleich nicht leicht, trat er doch gegen (m)einen Kombi an. Prinzipbedingt braucht ein Elektroauto ja keinen viel Bauraum einnehmenden Verbrennungsmotor und da Tesla beim Model S die Batterien komplett im Unterboden untergebracht hat, bleibt im „Motorraum“ Platz für weitere Ablagen. Dieses beim Tesla S allerdings als zweiten Kofferraum bezeichnen zu wollen, wäre eine starke Übertreibung. Denn tatsächlich befinden sich unter der „Motorhaube“ noch weitere Aggregate (laut Verkäufer unter anderem der HEPA-Innenraum-Luftfilter), der den tatsächlichem Stauraum im Frontbereich auf die Größe eines besseren Handschuhfachs schrumpfen lässt.

Im Inneren sind diverse Ablagefächer dort vorhanden, wo bei konventionellen Fahrzeugen der Getriebetunnel ist. Dies ist zwar laut Wikipedia erst seit dem Facelift von April 2016 der Fall, aber zumindest im aktuellen Zustand gibt es hier für mich nichts zu meckern. Warum man allerdings ein Handschuhfach auf Knopfdruck elektrisch entriegeln und öffnen muss, statt eine ganz klassische mechanische Verriegelung zu verwenden, erschließt sich mir ganz und gar nicht. 😉

Vom eigentlichen Kofferraum war ich hingegen positiv überrascht: Gemessen daran, dass der Tesla S „nur“ eine Limousine und eben kein Kombi ist, fällt der Kofferraum erstaunlich geräumig aus. Auch wenn er, nicht zuletzt durch die nicht höhengleiche Ladekante, nicht mit (m)einem Kombi mithalten kann, dürfte er sich durch die coupé-ähnliche Form des Hecks und der damit verbundenen weit öffnenden Konstruktion der Heckklappe auch vergleichsweise angenehm beladen lassen. Ebenfalls positiv ist, dass man ähnlich wie bei einem Kombi die Lehne der Rücksitzbank (geteilt im üblichen Verhältnis 2/3 zu 1/3) umklappen und so den Laderaum vergrößern kann. Als extrem ärgerlich hingegen empfinde hingegen, dass bei umgeklappter Rücksitzlehne eine Schwelle von ca. 5 cm vom Kofferraumboden zur Rückenlehne verbleibt – das erschwert und verkompliziert das Einladen großer und schwerer Gegenstände unnötig und ist quasi eine Einladung die Unterkante der Rückenlehnenpolsterung zu verschmutzen oder gar zu beschädigen.

Innenraum

Der Innenraum und der damit einhergehende Komfort bewegt sich meiner Meinung nach im Bereich der (oberen) Mittelklasse. Das ist natürlich solide, aber eben auch nicht die gerne kolportierte Oberklasse. Mein Testwagen hatte eine Leder-Innenausstattung womit beim Tesla S Sportsitze (laut Verkäufer von Recaro) einhergehen. Diese sind durchaus in Ordnung, bieten einen recht kräftigen Seitenhalt und haben auch eine verstellbare Lordosestütze, eine sogenannte Multikonturfunktion (zum Beispiel zum Einstellen der Seitenwangen) sucht man hingegen vergeblich. Während ich darüber noch hinwegsehen könnte, war ich von der Höhenverstellung des Sitzes ziemlich enttäuscht: Da ich relativ groß bin, hatte ich selbst in der niedrigsten Sitzeinstellung (und ansonsten in einer im Fahrsicherheitstraining erlernten Sitzposition) die Unterkante des Dachhimmels oberhalb der Windschutzscheibe im Blickfeld. Das empfand ich als reichlich störend und einem Auto dieser (Preis)klasse absolut nicht angemessen. Apropos Ledersitze: Sitzheizung gibt’s bei Tesla serienmäßig dazu, Sitzklimatisierung (im heißen Sommer auf Leder erfahrungsgemäß sehr angenehm) dagegen auch nicht für viel Geld und gute Worte.

Dominant im Innenraum ist natürlich der riesige Touchscreen in der Mittelkonsole, über das fast das gesamte Auto gesteuert wird – nicht einmal einen konventionellen Schalter für Scheinwerfer gibt es mehr. (Dessen Notwendigkeit sich im Zeitalter von Lichtsensoren zugegebenermaßen etwas relativiert.) Dazu muss sich sagen, dass ich ein strikter Gegner von „touch only“-Bedienung in Kraftfahrzeugen bin und die Probefahrt konnte mich da auch nicht vom Gegenteil überzeugen. Einerseits sind zwar zum Beispiel die dauerhaft eingeblendeten „Tasten“ zur Bedienung der Klimaanlage größer – und damit leichter zu treffen – als befürchtet, andererseits herrschte am Tag der Probefahrt trübes Wetter, sodass ich leider nicht testen konnte, was bei strahlendem Sonnenschein noch von der Ablesbarkeit des Bildschirms übrig bleibt. Das ebenfalls in diesen Touchscreen integrierte Navigationssystem setzt offensichtlich vollständig auf Google Maps auf und zeigt entsprechend die aus Google Maps gewohnte Karten- bzw. optional Luftbilddarstellung inklusive aktueller Verkehrsdichte. Eingedenk der oben beschriebenen Reichweitenthematik hat Tesla immerhin insofern mitgedacht, als dass bei längeren Strecken automatisch Zwischenstopps an Tesla Superchargern eingeplant werden, soweit es der Akkufüllstand erfordert. Die Demonstration des Navis als solches fiel allerdings wenig überzeugend aus: Die Berechnung der gewünschten Strecke dauerte gefühlte Ewigkeiten, bei Zoomen und Scrollen der Karte dauerte es weitere Ewigkeiten, bis die jeweils neue Karten-Darstellung auf dem Bildschirm vollständig aufgebaut war. Das mag damit zusammenhängen, dass alle Daten wohl online von Google-Servern bezogen werden (dazu später mehr) und die Demonstration nach dem Ende der eigentliche Probefahrt in einer Tiefgarage stattfand, wo der Mobilfunkempfang wahrscheinlich eher mau war. Nichtsdestotrotz hat auch dies einen sehr negativen Eindruck hinterlassen und ist meiner Meinung nach einem Auto dieser (Preis)klasse ebenfalls nicht würdig.

Aus der oben bereits erwähnten coupé-ähnlichen Karosseriegestaltung mit dem sehr flach abfallenden Heck ergibt sich aber auch ein handfester Nachteil: Die Heckscheibe wirkt zwar auf den ersten Blick groß, durch den flachen Einbauwinkel bleibt jedoch effektiv nur eine geringe Fläche zum Durchschauen übrig, sprich die Sicht durch den Rückspiegel ist extrem eingeschränkt. (Wobei auch dieser Vergleich mit (m)einem Kombi mit einer ziemlich steilen Heckscheibe nur begrenzt fair ist.) Zum Rückwärtsfahren spendiert Tesla übrigens zwar eine Rückfahrkamera mit interaktiven „Hilfslinien“ darin, eine 360°-Kameraansicht, wie sie andere Hersteller inzwischen längst anbieten, ist hier aber Fehlanzeige.

Autopilot

Abgesehen vom leistungsstarken Elektroantrieb als solches hat wohl kaum etwas am Tesla Model S so viel Aufmerksamkeit bekommen, wie der von Tesla so bezeichnete und offensiv beworbene „Autopilot“. Aktiviert wird dieser durch zweimaliges Ziehen in der Art eine Doppelklicks (da merkt man die IT-Vergangenheit von Elon Musk 😉 ) am Tempomat-Hebel. Das Ergebnis war dann allerdings eher ernüchternd: Nach meinem zugegebenermaßen eher kurzen Ausprobieren halte diesen sogenannten Autopiloten für nicht viel mehr als eine Kombination aus Abstandsregeltempomat und aktivem Spurhalteassistent, wie ihn zahlreiche andere Hersteller ebenfalls schon länger anbieten. Das wird besonders beim automatischen Spurwechsel deutlich: Die Hände vom Lenkrad lassen und nur lässig am Blinkerhebel ziehen, wie es die Tesla-Werbung suggeriert, funktioniert nämlich nicht. Stattdessen müssen die Hände am Lenkrad sein und dieses auch vergleichsweise fest halten. Wenn dann das Auto aufgrund der Blinkerbetätigung trotz des im Prinzip festgehaltenen Lenkrades die Spur wechselt, empfinde ich das als wenig hilfreich oder angenehm. Im Übrigen riet der Verkäufer auch explizit davon ab, den Autopiloten in Autobahnbaustellen zu benutzen – ausgerechnet eine Verkehrssituation, in der ich einen gut funktionierenden aktiven Spurhalteassistent zu schätzen wüsste.

Ach ja, dass der Autopilot bei Tesla einen Aufpreis kostet ist ja soweit verständlich. Dass aber bei Nichtbestellung des Autopiloten laut Verkäufer auch gleich die Abstandsregelfunktion des Tempomaten wegfällt, ist eine Preispolitik, die sich Tesla unerfreulich schnell von den etablierten Autoherstellern abgeschaut hat. Aus den Untiefen der Preispolitik im IT-Bereich stammt hingegen der Umstand, dass es sich beim Autopiloten anscheinend um ein reines Software-Feature handelt. Anders lässt sich nämlich nicht erklären, dass Tesla nicht nur ausdrücklich ein nachträgliches Upgrade (für € 3.300,– statt € 2.800,– bei einer Neuwagenkonfiguration), sondern auch eine kostenlose einmonatige Ausprobierphase anbietet.

Sonstiges

Wie weiter oben bereits angedeutet, ist bei Tesla das Dauer-Online-Sein des Fahrzeuges definitiv eine Kröte, die es zu schlucken gilt. (Laut Verkäufer ist eine Mobilfunkverbindung lebenslang kostenlos im Kaufpreis inkludiert.) Das betrifft gleich mehrere Aspekte: Zum einen ist da Tesla selbst, angefangen mit OTA-Updates der Fahrzeugelektronik bis hin zur teilweisen Fernsteuerung des Fahrzeuges: Zurück im Tesla Store führte der Verkäufer noch schnell ganz stolz vor, dass er mit seinem Smartphone zum Beispiel die Klimaanlage des soeben probegefahrenen Fahrzeugs in der ein paar hundert Meter entfernten Tiefgarage fernsteuern könne. Dass ich das ganz und gar nicht toll, sondern angesichts der Dauerüberwachung durch Tesla (ich gehe davon aus, dass diese Funktionen über eine der ach so hippen „Clouds“ läuft) und möglicher Sicherheitslücken eher gruselig finde, habe ich an dieser Stelle dem Verkäufer gegenüber lieber verschwiegen. Die nächste Datenkrake im Bunde ist offensichtlich das bereits weiter oben erwähnte Google Maps. Mir ist durchaus nicht wohl dabei, wenn Google jede vom mir navigierte Strecke mitbekommt. Dazu kommt dann noch der im Infotainmentsystem eingebaute Spotify-Zugang. Letzteren muss man aber zum Glück nicht nutzen, der Tesla S hat (noch) ein konventionelles Radio, einen USB-Anschluss für Sticks mit MP3s & Co. sowie eine Bluetooth-Verbindung für Smartphones oder ähnliches.

Apropos Bluetooth: Obwohl der Tesla S ja offensichtlich die notwendige Mobilfunk-Hardware an Bord hat, funktioniert die Freisprecheinrichtung doch nur über das schnöde HFP-Profil, SAP wird nicht unterstützt.

Nicht verkneifen konnte ich mir übrigens die Frage nach einer Anhängerkupplung. Nein, nicht in memoriam Bodo Bach 😉 , sondern weil zum einen mein aktuelles Auto eine hat und weil zum anderen ein Tesla S rein technisch bedingt durch das relativ hohe Eigengewicht, die hohe Motorleistung und den (optionalen) Allradantrieb eigentlich ein sehr gut geeignetes Zugfahrzeug wäre. Die Frage hat den Verkäufer allerdings sichtlich irritiert 😉 und das Ergebnis war: nein, gibt es nicht.

Fazit

Zusammenfassend kann ich sagen, dass – eigentlich wenig überraschend – der Tesla Model S nach meinem persönlichen Eindruck längst nicht so gut ist, wie ihn die „Fanbois“ im Netz schreiben, aber auch längst nicht so schlecht, wie ihn „Hater“ schreiben. Die Wahrheit liegt für mich irgendwo dazwischen. Nicht zuletzt aufgrund dieses Umstandes drängt sich für mich übrigens eine gewisse Parallelität zu Apple auf: Damit meine ich weniger den Umstand, dass die Tesla-Filiale offiziell „Tesla Store“ heißt und sich in Frankfurt in der Freßgass’ (für Ortsfremde: Große Bockenheimer Straße 😉 ) in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Apple Store befindet. Eher meine ich, dass beide Firmen von „visionären Gurus“ geleitet wurden/werden (Elon Musk bei Tesla und der inzwischen verstorbene Steve Jobs bei Apple) und sich durch – höflich formuliert – hervorragendes Marketing auszeichnen. Denn die konkreten Produkte, die Tesla und Apple anbieten, sind zwar grundsätzlich nicht schlecht, meiner Meinung aber gemessen am Gegenwert zu teuer. Bezogen auf Apple bekommt man technisch gleich- oder höherwertige Computer, Smartphones und dergleichen von anderen Herstellern zu niedrigeren Preisen, bezogen auf Tesla sind es viele Kleinigkeiten, die bei einem so teuren Auto (aktueller Listenpreis übrigens € 76.600,– bis € 164.800,–, je nach Motorisierung und Ausstattung) einen schalen Beigeschmack hinterlassen.

Demzufolge sehe ich mich momentan nicht motiviert, zu einem Tesla S zu wechseln.

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